1 Aquavitae auf Zollverein in Essen

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13 Jahre 5 Monate her #126016 von gaira
Aquavitae auf Zollverein in Essen wurde erstellt von gaira
Schlange stehen in Essen. Rund 1200 Besucher wollten gleich zum Auftakt am ersten Tag der „Aquavitae“ (13./14. November, Halle 12, Zeche Zollverein) sehen und vermutlich auch schmecken, was „Deutschlands außergewöhnlichste Spirituosenmesse“ (so der Veranstalter, die Rolf Kaspar GmbH,Essen) zu bieten hatte. Nicht ganz einfach zu ergründen, denn Wartezeiten bis zu einer halben Stunde mussten viele Interessenten zunächst akzeptieren, bevor sie dann aber für ihre Geduld belohnt wurden.

Den Samstag nutzten wir selbst für einen allgemeinen Überblick, was wegen des großen Andrangs teilweise wirklich zu einem Geduldsspiel wurde. Aber weil alle Beteiligten das waren, was mit „gut drauf“ treffend beschrieben ist, war das Gedränge letztlich einfach nur gemütlich. Schließlich war man ja zum Vergnügen da und nicht auf der Flucht. Für uns war auf jeden Fall alles im „grünen Bereich“ und die acht Euro Eintritt (inklusive qualitativ hochwertiges Snifter-Glas) waren gut investiert.

Wem die Welt der Single-Malts nicht genug war, der konnte zudem „eintauchen“ in Obstbrände (kostenlos im Ausschank!), Rum, Cognac, Tequila, Wodka und was die Welt des Hochprozentigen sonst noch so zu bieten hatte. Auch für das leibliche Wohl war bestens gesorgt und die Ruhrpott-Pipers sorgten an beiden Messetagen für den passenden musikalischen Rahmen. Dass sich wirklich alle Sinne angesprochen fühlen konnten, dafür sorgte die begleitende Ausstellung des Künstlers Christian Nienhaus, der im wahrsten Sinne des Wortes mit seinen großflächigen Bildern für tolle Hingucker gesorgt hatte.

Für mich war der erste Tag „Bunnahabhain-Tag“. Ich habe mich ausschließlich auf diesen Islay konzentriert und habe großartige Drams probiert, wobei von der 18-jährigen Originalabfüllung bis hin zur 35 Jahre alten Einzelfassabfüllung von Adelphi einige interessante Begegnungen zu verzeichnen waren. Für mich die Überraschung des Tages: ein Bunnahabhain (neun Jahre alt, 60,3 %, double matured, French oak finish, 0,5 Liter für 60 Euro, privater Abfüller). Wirklich köstlich! Was mir besonders gut gefallen hat: Anwesend war alles – die gesamte Szene und auch ein Schwatz „nebenbei“ mit Charles McLean oder anderen Größen (leider waren die Tastings mit Prof. Schobert und McLean schon frühzeitig ausgebucht) war möglich.

Das Tasting mit Thomas Ewers (Malts of Scotland) am Sonntag (wir haben gedacht, dass ein „aktiver“ Messerundgang plus Tasting nicht so ganz einfach zu bewältigen wäre…) fing gleich mit einem Knüller an, wobei ich im ersten Moment „not amused“ gewesen bin. Was soll ich mit einem belgischen „Deanston“, für den der Paderborner gar nicht selbst verantwortlich zeichnet? Schließlich ging es mir an dieser Stelle um die MoS-Reihe, in der ja wirklich einige Überraschungen zu entdecken sind. Aber zu früh gemeckert… Der 33 Jahre alte Deanston aus der wenig bekannten Destillerie in Pertshire in den östlichen Highlands, sie wurde 1965 eröffnet und produziert jährlich rund drei Millionen Liter, war einfach nur genial. (Näheres zu der Destille lässt sich unter <!-- m --><a class="postlink" href=" www.burnstewartdistillers.com "> www.burnstewartdistillers.com erfahren.) Dieses Einzelfass ist eine Thosop-Abfüllung, wohinter Luc Timmermans steht, lange ein aktiver Malt Maniac und seit 2003 belgischer Repräsentant der SMWS. Ein Taster hat dem Dram in bester Absicht (weil er den Rest wirklich auch nicht zu verachten fand) nachgesagt: „The best part is the nose.“ Ich würde das als Einstieg unterschreiben – das war wirklich eine „feine Nase“. Sehr blumig, sehr sanft, unglaublich harmonisch. Ein Eindruck, der sich im Mund fortsetzte. Sehr weich, sehr leicht, gute Holznoten und blumige Anklänge – ein köstlicher Schluck, der dank seiner 43 % „zur Not“ auch schon mal zum Frühstück geht… Lecker! Die 0,7 Liter Flasche 119 Euro, in Deutschland nicht im Handel, bei Interesse über MoS zu kriegen.

Das zweite Dram kam ebenfalls aus den Eastern Highlands. Abgefüllt hat MoS diesen 36 Jahre alten Glencadam in diesem Jahr. Für mich ebenfalls eine Premiere, denn auch aus dieser Destille hatte ich noch nie etwas probiert. Dieser 1974 destillierte Whisky aus einem Sherry Butt ist wahrscheinlich nicht kennzeichnend für die gesamte Produktion (mit 1,3 Millionen Litern pro Jahr überschaubar, <!-- m --><a class="postlink" href=" www.glencadamdistillery.co.uk "> www.glencadamdistillery.co.uk ), doch hat er mir unbedingt Lust gemacht auf weitere Proben dieser Destille. Charles McLean bezeichnet ihn als „einen ungewöhnlichen Glencadam mit einer schönen Reifung, der sich über die Jahre einiges an Brennerei-Charakter bewahrt hat“. Trotz ganz viel Frucht in der Nase konnte der Glencadam beim Nosen aber nicht ganz gefallen: Lösungsmittel (oder ähnliches) stach im Anfang durch, so dass abschließend die vorherrschende Meinung war: Schmeckt unbedingt besser als er riecht. Mit 48,9 Prozent gut trinkbar. Für mich wie immer ohne Wasser. Wer ein paar Tropfen dazu tat, der fand, dass der Whisky dadurch noch weicher wurde. Die 0,7 Liter Flasche kostet den Interessenten 125 Euro.

Nummer drei würde ich ganz kurz beschreiben wollen: Lecker! Port Ellen, Einzelfass-Abfüllung, 27 Jahre alt, 56 Umdrehungen, viel Rauch, viel Süße, (für mich) besser als die schon mal probierten Original-Abfüllungen und mit 189 Euro für die 0,7 Liter Flasche leider nicht das, was zum Lieblingsdram taugen würde. Schade…
Dafür käme dann schon eher die vierte Probe in die engere Auswahl: ein 15 Jahre alter Bowmore aus dem Bourbon Fass, 56,4 Prozent und für 89 Euro als Abfüllung aus der neuen Reihe „Amazing Cask“ (Ewers gemeinsam mit Timmermans) im Handel erhältlich. Das Dram ist ebenso schnell beschrieben wie der Vorgänger. Sensationell! Wer die Bowmore Whiskys mag, der wird diese Abfüllung lieben!

Die Teilnehmer des Tastings, der ganze Spaß kostet übrigens 20 Euro, erlebten einen bestens vorbereiteten Thomas Ewers, der wirklich eine Menge interessanter Dinge zu erzählen wusste. Wie kauft man eigentlich ein Fass? Dazu natürlich am liebsten ein gutes! Ich wusste bisher nicht, dass es gar nicht so einfach ist, den Destillerien Fässer abzuluchsen (mal davon abgesehen, dass sie es ja dann oft nicht ganz so gerne haben, dass ihr Name auf der Abfüllung auftaucht) und dass rund 30 Prozent der Einzelfässer aus Privatbesitz stammen.
Bei der Gelegenheit ein Gerücht(vielleicht schon alt, doch ich hatte davon noch nicht gehört), aufgeschnappt am Rande der Veranstaltung, das die Ardbeg-Fans die Farbe spontan wechseln ließ: Ardbeg soll angeblich den Besitzer wechseln, weil die Sache ausgereizt ist. Alte Fässer gibt es kaum noch, die Marktstrategie lässt nichts wirklich Neues mehr zu. Übersetzt heißt das, dass die Preise nicht mehr zu steigern sind. Muss ich mich also von meinem Wunsch, vielleicht doch noch mal einen „Lord of the Isles“ zu probieren, verabschieden? Den hätte ich auf der „Aquavitae“ natürlich kaufen können. Am Stand mit den Whisky-Raritäten wäre man gerne behilflich gewesen. Allein die 390 Euro für das wunderschöne Fläschchen wollte der Sinn meines Lebens mir nicht so ohne weiteres bewilligen…

Oh nee, was für ein Roman! Ich hör‘ jetzt lieber auf. Abschließend nur zwei Punkte, die ich „bemäkeln“ möchte: Beim nächsten Tasting auf Zollverein 2011 (dass es eine Neuauflage an diesem Ort geht, davon gehe ich einfach mal aus) wünsche ich mir ein Mikro für den Moderator. Und es wäre super, wenn es irgendwo einen Geldautomaten gäbe. Die Karte wurde von vielen, doch leider nicht von allen Ausstellern akzeptiert und mit sooo viel Bargeld stürzt man sich ja heutzutage auch nicht mehr ins Gedränge. Aber mit Geldautomat oder ohne – den Lord of the Isles hätte ich in jedem Fall nur begucken dürfen…

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