1 Brexit - jetzt ist es scheinbar so weit

Ich fang mit Barnaby an ) , damit hab ich bis nächstes Jahr gut zu tun

Ich mache mit Sherlock weiter.

Bis ich den Pointen von Benedict Cumberbatch im Original folgen kann, haben sie vielleicht die 1001 Gedankenspielchen beendet.

Tja, ich bin wahrscheinlich der einzige hier, der sich nach dem Referendum ein Gläschen vom Guten eingegossen und in Richtung GB geprostet hat.

Vor ein paar Monaten habe ich auf diesen Ausgang gewettet (ein Pfund Earl Grey), weil er mir sehr wahrscheinlich schien. Während vor einem guten Jahr in Umfragen die Brexit-Befürworter nur bei ca. 30% lagen, konnte man in der britischen Presse, und ganz besonders in den Kommentarspalten dort eindrücklich mitverfolgen, wie sich das Blatt gewendet hat. Meilensteine waren der September 2015 und Silvester. 'For God's sake, we have to get out of this madhouse' gehörte noch zu den zivilisierten Äußerungen, andere kann man ohne Gefahr der Kanzlerinnenbeleidigung nicht wiederholen. Jawohl, den meisten Briten - wie auch Umfragen NACH dem Referendum zeigen - war und ist völlig klar, dass das Land 'draußen' wohl ökonomische Nachteile zu erleiden haben wird, aber Ökonomie war hier nicht das alleinige und auch nicht das wichtigste Argument. Damit will ich jetzt nicht sagen, dass Frau Merkel an ALLEM Mist Schuld ist in Europa (die Unwetter in Süddeutschland vielleicht nicht, und dass mir vorhin ne Tüte Zucker runtergefallen ist, vielleicht auch nicht), aber ich bin recht überzeugt, dass ihre Immigrations'politik' und die hernach beschworene 'Verteilung an alle' das Zünglein an der Waage war. Nimmt man dazu noch das unsägliche Politikerpanoptikum in Brüssel - angeführt von einer Schnapsnase, die 'ihre' EU-Partnerländer ungeniert und völlig straflos durch kriminelle Deals um Milliarden von Steuergelder geprellt hat, und offen zugibt: 'wenn es ernst wird muss man lügen' (das und mehr hier ) - das nach jedem Desaster reflektorisch nach 'mehr Kompetenzen nach Brüssel!' schreit, macht mir den Fluchtreflex sehr nachvollziehbar. Klar liegen nicht alle Probleme in UK in der EU begründet, aber darum gehts nicht. Auch nicht um ein paar Milliarden hierhin oder dorthin. Es geht um souveräne Selbstbestimmung eines Landes. GB ist sozusagen das Mutterland der Demokratie und auf dieser Schiene wohl empfindlicher als z.B. der Deutsche, der ja von Hause aus weniger Probleme hat, sich unter absolutistischen Ordnungen bequem einzurichten, solange die Tomaten im Garten nicht abknicken, die Butter nicht teurer, und das Bier nicht zu warm wird.

Ich musste trotzdem ein wenig drüber nachdenken, wieso ich eigentlich mein Pfund Tee gar nicht so recht gewinnen WOLLTE, und es begründet sich auf ein Unbehagen, dass ich auch jetzt und jetzt erst recht habe. GB, von vielen als Quertreiber verunglimpft, war im EU-Verein immer eine starke Stimme für die Fraktion der Mittel-, Nord- und Westeuropäer, ohne die Briten hat diese Fraktion jetzt nicht einmal mehr eine Sperrminorität gegen Entscheidungen, die in Zukunft wohl alle ganz im Sinne derer fallen dürften, die ich mal flapsig 'Südländer' nenne. Wenn ich jetzt höre: 'Mehr Europa!','Enger zusammenrücken, mehr politsche Einheit' oder 'Der Mehrwert in Europa muss solidarischer verteilt werden' ahnt man, wo es hin läuft (und mir kalt der Rücken runter).
Diese Parolen, die völlige Abwesenheit von Selbstkritik in Brüssel, statt dessen Ergüsse, dass man den dumpfigen Massen nur mal wieder nicht idiotensicher genug erklärt hat, was sie alles für Vorteile haben, lässt mich im Nachhinein allerdings sagen: 'I'll miss you sorely, but: well done Britain."
Einer Freundin, die völlig entsetzt vom Ausgang des Referendums meinte, das 'könne man doch nicht machen', klar wäre in der EU nicht alles ideal, aber es gäbe doch andere Wege, Veränderungen anzustoßen, konnte ich nur antworten: 'Offensichtlich ja NICHT. Der Klüngel in Brüssel merkt es nicht anders. Das Referendum lag doch schon lange in der Luft. Was ist passiert? NICHTS." Allerdings: er merkt es offenbar auch JETZT noch nicht. Oder er merkt es, aber dieses bürokratische Monster ist schon so im Selbstzweck verknöchert, dass es sich nicht mehr ändern KANN. Siehe die britischen EU-Beamten, die jetzt die belgische Staatsbürgerschaft beantragen: Tja, Loyalität bis zum Letzten halt: gegenüber sich selbst, den guten Posten, fetten Bezügen, und dicken Pensionen.

Ergo, soll sich was ändern, kann man wohl nur auf den Domino-Effekt hoffen.
Auch wenn eine Variante des Ausganges zugegebenermaßen ist, dass D übrigbleibt, zusammen mit allen Nehmerländern und strukurschwachen Regionen, die sich nach dem -exit des Mutterlandes abspalten und bleiben. Und der Türkei natürlich.
Das Renteneintrittsalter in D wird sukkzessive auf 110 erhöht, aber das muss uns die Rettung der europäischen Idee schon wert sein. [ironie off].

Ich wünsche UK von Herzen, dass es prosperiert - zur Not auch England allein, wenn es denn so kommen sollte, dass sich der schottische Bergbauer für ein paar Subventionen von einer Fuchtel unter eine andere begibt. Dann ist der Ausgang des Referendums (und hoffentlich auch seine Umsetzung) das allerbeste Zeichen, dass die EU in derzeitiger Form NICHT in Stein gemeisselt ist, sondern dass sie IMMER NOCH davon abhängig ist, ob die Menschen, die in ihr leben, das auch WOLLEN. Völlig unabhängig von den Ambitionen potentieller Friedensnobelpreisträger*Innen und einer Clique Drittriegenpolitiker, die man einst nach Brüssel schickte, weil man fatalerweise annahm, dort könnten sie mit ihrer Borniertheit und Inkompetenz weniger Schaden machen als zu Hause (s. Herr Schulz).

Mit den jungen Briten, die gezwungen sein werden, mit dieser Entscheidung zu leben, obwohl es nicht die ihre war, oder eher: gewesen WÄRE, wären sie denn wählen gegangen, habe ich wenig Mitleid. Die Wahlbeteiligung in dieser Altersgruppe war unterirdisch und nicht einmal halb so hoch wie in der älteren Generation. Sorry, wer so faul und gleichgültig ist, wenns um die Zukunft seines Landes geht, der sollte a) auch nicht darüber bestimmen und b) hinterher nicht ningeln. Ein bisschen Twitter-hashtaging ist KEIN politisches Engagement, und auch kein Ersatz dafür.

Und - auch wenn es natürlich nicht an dem ist - ich stelle mir vor, dass die halbe Million viewer, die dieses video von Pat Condell hatte, gut und gerne die gewesen sein könnte, die am Ende den Ausschlag gegeben hat.

So. Sorry für die Länge. Wers bis hierher geschaft hat: *ein Tässchen Earl Grey hinschieb* :mrgreen:

Trinken wir ihn und wartens ab. Auf jeden Fall: Die Sonne wird weiter aufgehen, Sherlock und Downton Abbey wird es weiter geben, der Schottland-Urlaub wird billiger, und die Queen wird sowieso ewig leben. Cheers

Cheers, Skyelark, und danke für den schönen Earl Grey, denn ich habe Deinen absolut brilliant geschriebenen Beitrag mit Genuss ganz (!) gelesen.
Hut ab, Deine Schreibe ist die eines Profis!
Inhaltlich bin ich an vielen Stellen zwar gar nicht bei Dir, aber an manchen hast Du absolut den Nagel auf den Kopf getroffen.

skyelark schrieb: So. Sorry für die Länge. Wers bis hierher geschaft hat: *ein Tässchen Earl Grey hinschieb* :mrgreen:

Trinken wir ihn und wartens ab. Auf jeden Fall: Die Sonne wird weiter aufgehen, Sherlock und Downton Abbey wird es weiter geben, der Schottland-Urlaub wird billiger, und die Queen wird sowieso ewig leben. Cheers

Geschafft ) , und danke für die Ausführlichkeit. Ich bewundere es immer wieder, wie du dich in Details reinknien kannst, ich kratze da mehr an der Oberfläche herum und kann auch nicht behaupten, die Komplexität des Konstrukts EU zu durchschauen :-Y Ich stimme dir in vielen Dingen zu, hoffe aber, dass du nicht bei allem recht behältst und dass der Apparat in Brüssel doch noch nicht zu verknöchert für grundlegende Reformen ist.

In diesem Sinne - betrachten wir doch das (Tee-)Glas als halb voll ...

LG

skyelark schrieb: Tja, ich bin wahrscheinlich der einzige hier, der sich nach dem Referendum ein Gläschen vom Guten eingegossen und in Richtung GB geprostet hat.
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Trinken wir ihn und wartens ab. Auf jeden Fall: Die Sonne wird weiter aufgehen, Sherlock und Downton Abbey wird es weiter geben, der Schottland-Urlaub wird billiger, und die Queen wird sowieso ewig leben. Cheers

Danke für deine ausführliche Darstellung die vieles auf den Punkt bringt, auch wenn ich dir nicht in jedem Punkt zustimme. Es ist auf jeden Fall ein Zeichen wie Demokratie gehen kann und wie sehr Politik - oder eher Machtkampf unter Politikern - die Welt verändert. Was nun wirklich richtig oder falsch ist wird niemand von uns wissen und leider sind ja auch die schnell herbeizitierten Experten alle nur Transporteure einer "bestellten" Meinung. Die Rolle der Medien ist ja auch schon x-mal "beschrieben".

Wie die Welt sich entwickeln wird... keine Ahnung und wer wirklich die Hände an den wichtigen oder mächtigen Knöpfen hat und die "Fäden - an denen Politiker, Medien ... hängen" in der Hand hat... wollen wir das wirklich wissen?

Hoffen wir auf Frieden, Vernunft und die Möglichkeit über jede Meinung zu reden und eine gute Lösung im Sinne der Menschen.

Viele Grüße, Uwe