Sonntag, der 25.04.2010. Es ist 23.00 Uhr und man könnte meinen, es wäre schon Sommer. 18 Grad ist es warm, die Luft ist weich und die Straßen in Osnabrück sind mehr als ruhig. Das einzige, was man sieht, sind einige Katzen in den gepflegten Vorgärten, die ihren Frühjahrsputz erhalten haben. Ein einsamer Fan des VfL feiert noch immer und ist unter Ausnutzung der gesamten Straßenbreite unterwegs in sein Bett...
Tja, Osnabrück bei Nacht, ein Abend in der Provinz. Nicht aufregend, beschaulich, gediegen, irgendwie friedlich.
Trotzdem war dieser Abend ganz besonders, jedenfalls für mich und für einige andere Fans, die „ihren“ Big Man in der Hasestadt sehen durften. Sicher, viele würden Bruce Guthro die ganz großen Hallen und Stadien gönnen, aber manchmal ist es doch von Vorteil, dass der Mann aus Nova Scotia ein Geheimtipp ist. Warum? Weil er dann in die Provinz kommt, in die kleinen Clubs und die kleinen Hallen, weil er auch vor einhundert Leuten spielt, weil er den Kontakt zu „seinem“ Publikum findet, weil er sich dann auch über zwei Fahnen von Nova Scotia freuen kann, weil er ganz nah und ganz direkt merkt, wie er mit seiner Stimme verzaubern kann...
Aber der Reihe nach.
Ungläubiges Staunen! Auf der Homepage von Bruce Guthro werden die Termine für seine Tour 2010 angekündigt. Klar, die Kulturkirche in Köln ist dabei, Potsdam, Hamburg – und Osnabrück??? Das ist sicher ein Fehler, dachte ich im ersten Moment – und dann auch noch am 25.04.2010, einen Tag vor meinem 50ten Geburtstag? Nein, das kann nicht sein...
Es war aber doch Wahrheit und so zierte die Eintrittskarte für diesen Tag lange meine Pinnwand in Aachen bis sie ihren Weg nach Osnabrück antrat und dort noch einige Tage in unserer Küche hängen durfte.
Sonntag, 25.04.2010. Was soll ich sagen? Die Sonne scheint, der Garten ist fit für den Frühling und den Sommer – es tut gut auf der Terrasse zu sitzen, den Vögeln zuzuhören und sich auf den Abend zu freuen...
19.00 Uhr, Osnabrück in City-Nähe, Rosenplatz – nicht unbedingt der Ort, wo die Provinz am schönsten ist. Aber hier gibt es immerhin den Rosenhof, ein ehemaliges Kino, das sehr behutsam und geschmackvoll zu einer tollen Location für Konzerte, Kleinkunst und Partys umgebaut wurde. Schon seit vielen Jahren gehört es zusammen mit der Lagerhalle zu den Treffpunkten in der Stadt an der Hase. Vor dem Eingang hatte sich ein recht überschaubare Menschenmenge von vielleicht 30 Leuten versammelt und wartete auf den Einlass...
19:55 Uhr – na ja, voll ist es nicht, eine Handvoll Fans, bewaffnet mit zwei Nova-Scotia-Fahnen, einige Runrig-T-Shirts und einige Bruce-Guthro-Fan-Club-Shirts standen direkt vor der Bühne. Es war überschaubar – und mich beschlich das dumme Gefühl, dass diese Abend eine Katastrophe wird. Wie sollen diese paar Leute Stimmung in den leeren Laden bringen? Wie sollen Bruce und seine Band Spaß an einem Konzert haben, das so wenig Leute anzieht?
20:05 Uhr. Hallo? Neil Young? The Needle and the Demage Done? Also, mal ein Lob vorab. DAS passte allemal besser als Johnny Cash in Oberhausen. Bruce Guthro kommt auf die Bühne und schaut sich ein wenig ungläubig um, so, als würde er sagen : „Wie können so wenig Leute so laut sein???“
Was danach kam, war ein denkwürdiges Konzert, ein wenig zäh am Anfang, aber nachdem die Band gemerkt hatte, dass es auch in der Provinz Menschen gibt, die ihre Musik mögen, die mitsingen, die die Texte kennen, die keinen Einsatz bei „Ivey’s Wall“ verpassen und „Digin Deep“ grooven lassen können, war das Eis gebrochen.
Es war schon etwas ganz besonderes, wenn man in guten zwei Meter Entfernung von der Band steht, wenn man sehen kann, wie dort oben gescherzt wird, wie vollkommen professionell die Musiker agieren.
Also, an dieser Stelle mal ein Riesenlob an die Band.
Ich habe fast den ganzen Abend direkt vor Jan Kaspersen gestanden und konnte beobachten, wie er arbeitet. Himmel, ist das ein begnadeter Musiker. Immer ein wenig im Hintergrund aber ohne ihn wäre die Band nicht das, was sie ist. Wer diesen Mann in seiner Band hat, braucht sich über die Qualität der Musik keine Gedanken zu machen.
Auch die neue Bassistin, Ida Nielsen, war toll. Sie gab den Songs den nötigen Druck, sie war diejenige, die viele der Songs so verdammt rockig machte – ein absoluter Gewinn für die Band.
Mads Loekkegaard, der neue Mann an der Gitarre. Da oben im Norden gibt es die seltene Lebensform der Trolls, zu jedem Schabernack aufgelegt – irgendwie erinnerte er mich an die Helden meiner Kindheit da oben in Niebüll.
Peter Dencker an den Keyboards, ein wenig ging sein grandioses Können unter an diesem Abend. Aber stellt Euch mal vor, wie die Songs ohne ihn klingen würden?
Kristian Gislason an den Drums und vor allem am Cajon. Wer ihn ein wenig beobachten konnte, wie er nur mit seinen Händen den Songs die Basis gab, der wird wissen, warum Bruce gerade ihn ausgesucht hat.
Es war Musik, handgemacht, ohne Sample ohne Mac im Hintergrund, es war ehrlich, es war gut, es war beeindruckend...
Einer aber fehlt noch in der Runde. Bruce Guthro – was soll ich über ihn schreiben? Seine Stimme, seine Ausstrahlung, seine Songs waren, sind und bleiben genial. Gab es Highlights an diesem Abend? Ja, „Ivey`s Wall“, mein Lieblingslied, das mich so sehr an meinen Opa erinnert. „Jerusalem“, rockig, druckvoll, leidenschaftlich. „So small“ – und da war wieder Bann dieser Stimme...
Es war ein beeindruckendes Konzert, sicher einzigartig in diesem kleinen Rahmen. Bruce Guthro hatte mich schon in Köln und in Oberhausen beeindruckt, aber hier in der Provinz, im Rosenhof in Osnabrück, zeigte der „Big Man“ was er kann, was er will, was er sich wünscht. „Sein Publikum“ war da, die, die ihn hören wollen, die, die sich von ihm mitnehmen lassen wollen auf seine Reise, die, die wissen, dass er eine ehrliche Haut ist...
Sonntag Abend, ich sitze im Auto auf dem Weg nach Hause, leise singt ein Musiker mit Namen Bruce Guthro „so small“, noch 50 Minuten und ich bin 50 Jahre alt. Danke, Bruce, Danke Jan, Danke Ida, Danke Mads, Danke Peter, Danke Kristian, ihr habt mir ein wunderbares Geschenk gemacht...
Liebe Grüße
Dieter
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